Der Aktionsradius Wien trauert um Peter Weibel. Am 9. Mai wollten wir mit ihm im Aktionsradius Wien über das neue Buch „Kriegsfolgen“ des Promedia Verlags diskutieren. Sein Textbeitrag über "Das Canceln der russischen Kultur" kam nicht mehr zustande, er versprach aber, nach seinem Umzug nach Wien das Buch mit uns zu diskutieren.
Am 1. März 2023 starb Peter Weibel wenige Tage vor seinem 79. Geburtstag in Karlsruhe. Peter Weibel ging Kontroversen nicht aus dem Weg. Er war eine mahnende, zukunftsweisende Stimme und blieb seiner Rolle als Rebell, Tabubrecher und Friedensstifter treu – bis zum Schluss. Er trat für Waffenstillstand und gegen Waffenlieferungen in sein Geburtsland Ukraine ein. Seine Stimme wird uns fehlen!
„Mit Peter Weibel starb die interessanteste Persönlichkeit der Wiener Kunstszene seit 1945.“ schrieb DIE PRESSE zum Ableben des Künstlers, Ausstellungskurators, Medientheoretikers. Peter Weibel hat seit den 1960er Jahren die heimische Kunstszene mitgeprägt, an der Verbindung von Wissenschaft und Kunst gearbeitet und seit 1999 das international renommierte Medienkunstzentrum ZKM in Karlsruhe geleitet.
Geboren in Odessa am 5.3.1944, verbrachte er einen Großteil seiner Kindheit/Jugend in Flüchtlingslagern und Internaten in Oberösterreich. Nach der Matura ging er ein Jahr zum Studium nach Paris (Französisch, Film, Komparatistik) und anschließend nach Wien, wo er Medizin, dann Mathematik mit Schwerpunkt Logik studierte. Peter Weibel war ein Universalgelehrter, der es verstand, die unterschiedlichsten Bereiche zu vernetzen. Er war Pionier, Universalgelehrter und Ermöglicher.
Peter Weibel war ein kritischer Geist und hat Kritik eingesetzt, um gesellschaftliche Entwicklungen weiterzubringen, nicht um zu zerstören. Sein Wirken hatte immer auch gesellschaftspolitische Sprengkraft. Er war der Zeit voraus und blieb seiner Rolle als streitbarer Vordenker treu. Das war seine Lebensphilosophie. Im April 2022 war er Initiator und Erstunterzeichner eines offenen Briefes an Bundeskanzler Scholz mit der Forderung, alles dazu beizutragen, "dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können". Dieser Brief und seine Statements, neben Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aufzutreten, lösten Unruhe und Kritik aus, von der er sich nicht abhalten ließ. "Uns alle treibt die Sorge um, dass die Lieferung schwerer Waffen den Krieg verlängert – dadurch die Vernichtung menschlicher Existenzen und der Blutzoll steigen." Im Februar 2023 war Peter Weibel Erstunterzeichner des Aufrufs „Manifest für Frieden“. Er hielt – wie viele von uns – Waffenlieferungen für den falschen Weg. "Wenn man Putin jetzt den Donbass zusprechen würde, dann wäre das zwar ein Triumph für einen Diktator und eine Katastrophe. Aber wenn sich der Krieg durch westliche Waffenlieferungen immer länger hinzieht, dann droht eine noch viel größere Katastrophe."
Am 9. Mai wäre Peter Weibel Gast im Aktionsradius gewesen. Im Gedenken an Peter Weibel werden wir seine Friedensappelle und die kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Entwicklungen weiterführen. Unter dem Titel SCHÖNE NEUE WELT befassen wir uns im Mai mit Dystopien (Aldous Huxleys „Brave New World“) – aber auch mit Utopien, Potenzialen und Möglichkeiten der „neuen Welt“ – die Peter Weibel trotz aller Kritik immer auch gesehen hat. Er provozierte Widerspruch, wollte die Erneuerung des Bestehenden vorantreiben und sah auch die Chancen der Digitalisierung: "Wir werden Sensoren und Werkzeuge entwickeln, die es uns ermöglichen, in der Infosphäre zu schwimmen wie ein Fisch im Wasser." (Peter Weibel, 5.3.1944 – 1.3.2023)